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Comédie en musique (Singspiel) en trois actes et quatre tableaux, composée par Wolfgang Amadeus Mozart sur un livret de Gottlieb Stephanie (Stephanie le Jeune) d'après le texte de Christoph Friedrich Bretzner, Belmont und Constanze oder Die Entführung aus dem Serail, destiné à une opérette en 3 actes du compositeur Johann André (1741-1799), créée à Berlin le 25 mai 1781.
L'œuve de Mozart a été créée le 16 juillet 1782 au Burgtheater de Vienne. Elle a été le plus grand succès de Mozart de son vivant.
Esquisse de décors par Otto Reigbert, pour une mise en scène de Walter Felsenstein à la Städtische Bühnen Köln en 1932 (Vivat Bacchus...).
L'action est située dans les terres fantasmagoriques de Sélim pacha, en bordure de mer.
Constance a été capturée par des pirates pour être vendue au pacha Sélim. Le fiancé de Constance, Belmonte, se rend au palais du pacha, et malgré la méfiance d'Osmin, le gardient du dérail, il parvient s'introduire dans l'entrourage du pacha.
Blonde, la suivante de Constance, repousse les avances d'Osmin, et Constance celles de Sélim. Pedrillo, le valet de Belmonte, enivre Osmin pour permettre aux amants de fuir.
Constance et Belmonte s'enfuient, mais ils sont rattrapés par Osmin. Sélim pacha rend la liberté auc captifs.
Le comédien Andreas Grötzingers et le chanteur Roland Bracht, dans une mise en scène de Hans Neunfels, Staatstheater Stuttgart 1997.
Partition (format PDF)
Wolfgang Amadeus Mozart, Die Entführung aus dem Serail / L'Enlèvement au Sérail. Lynne Dawson (Kontanze), Marianne Hirsti (Blonde), Uwe Heilmann (Belmonte), Wilfried Gahmlich (Pedrillo), Gunther von Kannen (Osmin), The Academy of Ancient Music, sous la direction de Christopher Hogwood.
Enregistré en studio le 24 octobre 1937. Orchestre et chœur de la Reichsenders Berlin, sous la direction d'Heinrich Steiner. Bassa Selim, Lothar Körner ; Belmonte, Karl Erb ; Blonde, Irma Beilke ; Konstanze, Lea Piltti ; Osmin, Wilhelm Strienz ; Pedrillo, Erich Zimmermann. Numérisé : Cantus Classics, 2002, n° 500203 (2 CD)
Esquisse de décors de Otto Müller-Godesberg, pour le Stadttheater Elberfeld-Barmen, 1910.
Platz vor dem Palast des Bassa am Ufer des Meers.
BELMONTE allein.
Hier soll ich dich dann sehen,
Konstanze!
dich mein Glück!
Laß Himmel es geschehen!
Gieb
mir die Ruh zurück!
Ich duldete der Leiden
O
Liebe! allzuviel!
Schrak mir dafür nun Freuden
Und
bringe mich ans Ziel.
Aber wie soll ich in den
Palast kommen? – wie sie sehen? – wie sprechen?
Scène de Die Entführung aus dem Serail, de W. A. Mozart, avec G. Unger, E. Roscher, G. Frei, M. Lorelli und Geißler, Deutsche Staatsoper, 30 octobre 1954. Pohotographie Abraham Pisarek.
Belmonte, Osmin mit einer Leiter, welche er an einen Baum vor der Thüre des Palasts lehnt, hinauf steigt und Feigen abnimmt.
OSMIN
Wer ein Liebchen hat gefunden,
Die es treu
und redlich meynt,
Lohn' es ihr durch tausend
Küsse,
Mach' ihr all das Leben süße,
Sey
ihr Tröster, sey ihr Freund.
Trallalera,
trallalera!
BELMONTE
Vielleicht daß ich durch diesen Alten etwas erfahre. – He, Freund! Ist das nicht das Landhaus des Bassa Selim?
OSMIN, singt wie zuvor, während der Arbeit.
Doch sie treu sich zu erhalten,
Schließ'
er Liebchen sorglich ein:
Denn die losen Dinger
haschen
Jeden Schmetterling, und naschen
Gar
zu gern von fremdem Wein.
Trallalera, trallalera!
BELMONTE
He, Alter, he! hört ihr nicht? – Ist hier des Bassa Selim Palast?
OSMIN sieht ihn an, dreht sich herum, und singt wie zuvor.
Sonderlich bey'm Mondenscheine,
Freunde, nehmt
sie wohl in Acht!
Oft lauscht da ein junges Herrchen,
Kirrt
und lockt das kleine Närrchen,
Und dann,
Treue, gute Nacht!
Trallalera, trallalera!
BELMONTE
Verwünscht seyst du samt deinem Liede!
Ich
bin dein Singen nun schon müde;
So hör'
doch nur ein einzig Wort!
OSMIN
Was Henker laßt ihr euch gelüsten,
Euch
zu ereifern, euch zu brüsten?
Was wollt
ihr? hurtig! ich muß fort.
BELMONTE
Ist das des Bassa Selims Haus?
OSMIN
Das ist des Bassa Selims Haus
Will fort
BELMONTE
OSMIN
Ich kann nicht weilen.
BELMONTE
Ein Wort ...
OSMIN
Geschwind! denn ich muß eilen.
BELMONTE
OSMIN
BELMONTE
Wie kann ich den Pedrill wohl sprechen,
Der
hier in seinen Diensten steht?
OSMIN
Den Schurken? der den Hals soll brechen?
Seht
selber zu; wenns anders geht.
Will fort
BELMONTE für sich.
Was für ein alter grober Bengel!
OSMIN, ihn betrachtend, auch für sich.
Das ist just so ein Galgenschwengel.
BELMONTE zu ihm
Ihr irrt, es ist ein braver Mann.
OSMIN
So brav, daß man ihn spießen kann.
BELMONTE
Ihr müßt ihn wahrlich nicht recht kennen.
OSMIN
Recht gut. Ich ließ' ihn heut verbrennen.
BELMONTE
Es ist fürwahr ein guter Tropf!
OSMIN
Auf einen Pfahl gehört sein Kopf!
Will fort.
BELMONTE
So bleibet doch!
OSMIN
Was wollt ihr noch.
BELMONTE
Ich möchte gerne ...
OSMIN bitter höhnisch.
So hübsch von ferne
Ums Haus' rum schleichen,
Und
Mädchen stehlen?
Fort, eures gleichen
Braucht
man hier nicht.
BELMONTE
Ihr seyd besessen!
Sprecht voller Galle
Mir
so vermessen
Ins Angesicht!
OSMIN
Nur nicht in Eifer!
BELMONTE
Schont euren Geifer.
OSMIN
Ich kenn' euch schon.
BELMONTE
Laßt euer Drohn.
OSMIN
Scheert euch zum Teufel –
BELMONTE
Es bleibt kein Zweifel –
Zusammen
OSMIN
Ihr kriegt, ich schwöre
Sonst ohne Gnade
Die
Bastonade:
Noch habt ihr Zeit.
Stößt ihn fort
BELMONTE
Ihr seyd von Sinnen!
Welch ein Betragen
Auf
weine Fragen!
Seyd doch gescheid.
Ab.
Costume de Charles Bianchini pour Sélim, 1903.
Osmin, hernach Pedrillo.
OSMIN allein
Könnt' ich mir doch noch so einen Schurken auf die Nase setzen, wie den Pedrillo; so einen Gaudieb, der Tag und Nacht nichts thut, als nach meinen Weibern herum zu schleichen, und zu schnobern, ob's nichts für seinen Schnabel setzt. Aber ich laure ihm sicher auf den Dienst, und wohl bekomm' dir die Prügelsuppe, wenn ich dich einmal beym Kanthaken kriege! – Hätt' er sich nur beym Bassa nicht so eingeschmeichelt, er sollte den Strick längst um den Hals haben.
PEDRILLO
Nun, wie stehts, Osmin? Ist der Bassa noch nicht zurück?
OSMIN
Sieh darnach, wenn du's wissen willst.
PEDRILLO
Schon wieder Sturm im Kalender? – hast du das Gericht Feigen für mich gepflückt?
OSMIN
Gift für dich, verwünschter Schmarotzer!
PEDRILLO
Was in aller Welt ich dir nun gethan haben muß, daß du beständig mit mir zankst. Laß uns doch einmal Friede machen.
OSMIN
Friede mit dir? mit so einem schleichenden spitzbübischen Paßauf, der nur spionirt, wie er mir eins versetzen kann? Erdrosseln möcht' ich dich! –
PEDRILLO
Aber sag nur, warum? warum?
OSMIN
Warum? – weil ich dich nicht leiden kann.
Solche hergelaufne Laffen
Die nur nach den Weibern
gaffen,
Mag
ich vor den Teufel nicht.
Denn ihr ganzes Thun und
Lassen
Ist, uns auf den Dienst zu
passen,
Doch
mich trügt kein solch Gesicht.
Eure Tücken, eure Ränke,
Eure Finten, eure Schwänke,
Sind
mir ganz bekannt.
Mich zu hintergehen,
Müßt ihr früh
aufstehen,
Ich
hab' auch Verstand.
Drum, beym Barte des Propheten!
Ich studiere Tag und Nacht,
Ruh nicht, bis ich dich sch'
tödten,
Nimm
dich, wie du willst, in acht.
PEDRILLO
Was bist du für ein grausamer Kerl, und ich hab dir nichts gethan.
OSMIN
Du hast ein Galgengesicht, das ist genug.
Erst geköpft,
Dann gehangen,
Dann gespießt
Auf heiße Stangen,
Dann verbrannt,
Dann gebundenUnd getaucht;
Zuletzt geschunden.
Geht ins Haus.
Pedrillo, hernach Belmonte.
PEDRILLO
allein. Geh nur, verwünschter Aufpasser; es ist noch nicht aller Tage Abend. Wer weiß, wer den Andern überlistet; und dir mißtrauischem gehäßigem Menschenfeinde eine Grube zu graben, sollte ein wahres Fest für mich seyn.
BELMONTE
Pedrillo, guter Pedrillo!
PEDRILLO
Ach mein bester Herr! Ist's möglich? Sind Sie's wirklich? Bravo, Madam Fortuna, bravo! das heißt doch Wort gehalten! Schon verzweifelte ich, ob einer meiner Briefe Sie getroffen hätte.
BELMONTE
Sag, guter Pedrillo, lebt meine Konstanze noch?
PEDRILLO
Lebt, und noch hoff' ich für Sie. Seit dem schrecklichen Tage, an welchem das Glück uns einen so häßlichen Streich spielte, und unser Schiff von den Seeräubern erobern ließ, haben wir mancherley Drangsal erfahren. Glücklicher Weise traf sichs noch, daß der Bassa Selim uns alle drey kaufte: Ihre Konstanze nämlich, meine Blonde, und mich. Er ließ uns sogleich hier auf sein Landhaus bringen. Donna Konstanze ward seine auserwählte Geliebte.
BELMONTE
Ah! was sagst du?
PEDRILLO
Nu, nur nicht so hitzig! Sie ist noch nicht in die schlimmsten Hände gefallen. Der Bassa ist ein Renegat, und hat noch so viel Delikatesse, keine seiner Weiber zu seiner Liebe zu zwingen; und so viel ich weis, spielt er noch immer den unerhörten Liebhaber.
BELMONTE
Wär es möglich? Wär Konstanze noch treu?
PEDRILLO
Sicher noch, lieber Herr! Aber wie's mit meinem Blondchen steht, weis der Himmel! das arme Ding schmachtet bey einem alten häßlichen Kerl, dem sie der Bassa geschenkt hat; und vielleicht – ach ich darf gar nicht dran denken! –
BELMONTE
Doch nicht der alte Kerl, der so eben ins Haus gieng?
PEDRILLO
Eben der.
BELMONTE
Und dieß ist der Liebling des Bassa?
PEDRILLO
Liebling, Spion, und Ausbund aller Spitzbuben, der mich mit den Augen vergiften möchte, wenns möglich wäre.
BELMONTE
O guter Pedrillo! was sagst du?
PEDRILLO
Nur nicht gleich verzagt! Unter uns gesagt: ich hab' auch einen Stein im Brete beym Bassa. Durch mein bischen Geschick in der Gärtnerey hab' ich seine Gunst weggekriegt, und dadurch hab' ich so ziemlich Freyheit, die tausend Andere nicht haben würden. Da sonst jede Mannsperson sich entfernen muß, wenn eine seiner Weiber in Garten kommt, kann ich bleiben; sie reden so gar mit mir, und er sagt nichts darüber. Freylich mault der alte Osmin, besonders, wenn mein Blondchen ihrer Gebieterinn folgen muß.
BELMONTE
Ists möglich? Du hast sie gesprochen? – O sag, sag! Liebt sie mich noch?
PEDRILLO
Hm! daß Sie daran zweifeln! Ich dächte, Sie kennten die gute Konstanze mehr als zu gut; hätten Proben genug ihrer Liebe. – Doch damit dürfen wir uns gar nicht aufhalten. Hier ist blos die Frage, wie's anzufangen ist, hier weg zu kommen?
BELMONTE
O da hab' ich für alles gesorgt! Ich hab' hier ein Schiff in einiger Entfernung vom Hafen, das uns auf den ersten Wink einnimmt, und –
PEDRILLO
Ah, sachte, sachte! Erst müssen wir die Mädels haben, ehe wir zu Schiffe gehen; und das geht nicht so husch, husch! wie Sie meynen.
BELMONTE
O lieber guter Pedrillo, mach nur, daß ich sie sehen, daß ich sie sprechen kann! Das Herz schlägt mir vor Angst und Freude! –
PEDRILLO
Pfiffig müssen wir das Ding anfangen, und rasch müssen wir's ausführen, damit wir den alten Aufpasser übertölpeln. Bleiben Sie hier in der Nähe. Jetzt wird der Bassa bald von einer Lustfahrt auf dem Wasser zurückkommen. Ich will Sie ihm als einen geschickten Baumeister vorstellen: denn Bauen und Gärtnerey sind seine Steckenpferde. Aber lieber goldner Herr, halten Sie sich in Schranken; Konstanze ist bey ihm –
BELMONTE
Konstanze bey ihm? Was sagst du? Ich soll sie sehen?
PEDRILLO
Gemach, gemach ums Himmels willen, lieber Herr! sonst stolpern wir – Ah ich glaube, dort seh' ich sie schon angefahren kommen. Gehn Sie nur auf die Seite, wenn er kommt; ich will ihm entgegen gehen. Geht ab.
BELMONTE allein.
V. A.
PEDRILLO
kömmt hurtig gelaufen. Geschwind, geschwind auf die Seite und versteckt! Der Bassa kommt. Belmonte versteckt sich.
Der Bassa Selim und Konstanze kommen in einem Lustschiffe angefahren, vor welchem ein anderes Schiff mit Janitscharenmusik voraus landet. Die Janitscharen stellen sich am Ufer in Ordnung, stimmen folgenden Chor an, und entfernen sich dann.
CHOR
EINE ODER ZWO SRIMMEN
1.
2.
CHOR
Janitscharen ab.
Selim. Constanze.
SELIM
Immer noch traurig, geliebte Konstanze? immer in Thränen? – Sieh, dieser schöne Abend, diese reizende Gegend, diese bezaubernde Musik, meine zärtliche Liebe für dich – Sag', kann nichts von allem dich endlich beruhigen, endlich dein Herz rühren? – Sieh, ich könnte befehlen, könnte grausam mit dir verfahren, dich zwingen –
Konstanze seufzt.
SELIM
Aber nein, Konstanze; dir selbst will ich dein Herz zu danken haben – dir selbst –
KONSTANZE
Großmüthiger Mann! o daß ich es könnte! daß ichs erwiedern könnte – aber –
SELIM
Sag, Konstanze, sag, was hält dich zurück?
KONSTANZE
Du wirst mich hassen.
SELIM
Nein, ich schwöre dir's. Du weißt, wie sehr ich dich liebe, wie viel Freyheit ich dir vor allen meinen Weibern gestatte; dich wie meine Einzige schätze –
KONSTANZE
O so verzeih!
Ach, ich liebte,
War so glücklich,
Kannte
nicht der Liebe Schmerz!
Schwur ihm Treue
Dem
Geliebten,
Gab dahin mein ganzes Herz:
Doch
wie bald schwand meine Freude,
Trennung war
mein banges Loos;
Und nun schwimmt mein Aug'
in Thränen,
Kummer ruht in meinem Schoos.
Während des Gesanges geht der Bassa unwillig hin und her.
KONSTANZE
Ach, ich sagt' es wohl, du würdest mich hassen. Aber verzeih, verzeih dem liebekranken Mädchen! – Du bist ja so großmüthig, so gut – Ich will dir dienen, deine Sklavinn seyn, bis ans Ende meines Lebens: nur verlange nicht ein Herz von mir, das auf ewig versagt ist –
SELIM
Ha, Undankbare! Was wagst du zu bitten?
KONSTANZE
Tödte mich, Selim, tödte mich! nur zwinge mich nicht, meineidig zu werden – Noch zuletzt, wie mich der Seeräuber aus den Armen meines Geliebten riß, schwur ich aufs feyerlichste –
SELIM
Halt ein! nicht ein Wort! Reize meinen Zorn nicht noch mehr. Bedenke, daß du in meiner Gewalt bist –
KONSTANZE
Ich bin es: aber du wirst dich ihrer nicht bedienen, ich kenne dein gutes, dein mitleidvolles Herz. Hätte ichs sonst wagen können, dir das meinige zu entdecken? –
SELIM
Wag es nicht, meine Güte zu mißbrauchen –
KONSTANZE
Nur Aufschub gönne mir, Herr! Nur Zeit, meinen Schmerz zu vergessen –
SELIM
Wie oft schon gewährt ich dir diese Bitte –
KONSTANZE
Nur noch diesmal!
SELIM
Es sey! zum letztenmale! – Geh, Konstanze, geh! Besinne dich eines Bessern, und morgen –
KONSTANZE im Abgehn.
Unglückliches Mädchen!
O Belmonte,
Belmonte!
Costume de Charles Bianchini (1860-1905), pour Constance.
Selim, Pedrillo, Belmonte.
SELIM
Ihr Schmerz, ihre Thränen, ihre Standhaftigkeit bezaubern mein Herz immer mehr, machen mir ihre Liebe nur noch wünschenswerther. Ha! wer wollte gegen ein solches Herz Gewalt brauchen? – Nein, Konstanze, nein, auch Selim hat ein Herz; auch Selim kennt Liebe –
PEDRILLO
Herr! verzeih, daß ich es wage, dich in deinen Betrachtungen zu stören –
SELIM
Was willst du, Pedrillo?
PEDRILLO
Dieser junge Mann, der sich in Italien mit vielem Fleiß auf die Baukunst gelegt, hat von deiner Macht, von deinem Reichthum gehört, und kommt her, dir als Baumeister seine Dienste anzubieten.
BELMONTE
Herr! könnte ich so glücklich seyn, durch meine geringen Fähigkeiten deinen Beyfall zu verdienen.
SELIM
Hm! Du gefällst mir. Ich will sehen, was du kannst. – Zum Pedrillo. Sorge für seinen Unterhalt. Morgen werde ich dich wieder rufen lassen. Geht ab.
Belmonte, Pedrillo.
PEDRILLO
Ha! Triumph, Triumph, Herr! der erste Schritt war gethan.
BELMONTE
Ach laß mich zu mir selbst kommen! – Ich habe sie gesehen, hab' das gute treue beste Mädchen gesehen! – O Konstanze, Konstanze! Was könnt' ich für dich thun, was für dich wagen?
PEDRILLO
Ha! gemach, gemach, bester Herr! Stimmen Sie den Ton ein bischen herab; Verstellung wird uns weit bessere Dienste leisten. Wir sind nicht in unserm Vaterlande. Hier fragen sie den Henker darnach, ob's einen Kopf mehr oder weniger in der Welt giebt. Bastonade und Strick um Hals sind hier wie ein Morgenbrod.
BELMONTE
Ach, Pedrillo! wenn du die Liebe kenntest –
PEDRILLO
Hm! Als wenn's mit unser einem gar nichts wäre. Ich habe so gut meine zärtlichen Stunden als andere Leute. Und denken Sie denn, daß mir's nicht auch im Bauche grimmt, wenn ich mein Blondchen von so einem alten Spitzbuben, wie der Osmin ist, bewacht sehen muß?
BELMONTE
O wenn es möglich wäre, sie zu sprechen –
PEDRILLO
Wir wollen sehen, was zu thun ist. Kommen Sie nur mit mir in Garten: aber um alles in der Welt, vorsichtig und fein. Denn hier ist alles Aug und Ohr.
Sie wollen in den Palast, Osmin kommt ihnen in der Thür' entgegen, und hält sie zurück.
Vorige, Osmin.
OSMIN
Wohin?
PEDRILLO
Hinein!
OSMIN zu Belmonte.
Was will das Gesicht? – Zurück mit dir, zurück!
PEDRILLO
Ha, gemach, Meister Grobian, gemach! er ist in des Bassa Diensten.
OSMIN
In des Henkers Diensten mag er seyn! Er soll nicht herein!
PEDRILLO
Er soll aber herein!
OSMIN
Kommt mir nur einen Schritt über die Schwelle –
BELMONTE
Unverschämter! Hast du nicht mehr Achtung für einen Mann meines Standes?
OSMIN
Ey, ihr mögt mir vom Stande seyn! – Fort, fort, oder ich will euch Beine machen.
PEDRILLO
Alter Dummkopf! Es ist ja der Baumeister, den der Bassa angenommen hat.
OSMIN
Meinethalben sey er Stockmeister: nur komm
er mir hier nicht zu nahe. Ich müßte nicht
sehen, daß es so ein Kumpan deines Gelichters
ist, und daß das so eine abgeredte Karte ist,
uns zu überlisten. Der Bassa ist weich wie Butter,
mit dem könnt ihr machen, was ihr wollt: aber ich
habe eine
feine Nase. Gaunerey ist's
um den ganzen Kram, mit euch fremden Gesindel; und ihr
abgefeimten Betrüger habt lange euer Plänchen
angelegt, eure Pfiffe auszuführen. aber wart ein
bischen! Osmin schläft nicht. Wär' ich Bassa,
ihr wär't längst gespießt. – Ja! schneid't
nur Gesichter, lacht nur hönisch in Bart hinein!
PEDRILLO
Ereifere dich nicht so, Alter; es hilft dir doch nichts. Sieh, so eben werden wir hinein spatzieren.
OSMIN
Ha! das will ich sehen! Stellt sich vor die Thüre.
PEDRILLO
Mach keine Umstände. –
BELMONTE
Weg, Niederträchtiger!
Terzet.
OSMIN
BELMONTE UND PEDRILLO
OSMIN
BELMONTE UND PEDRILLO
OSMIN
BELMONTE UND PEDRILLO
Sie drängen ihn von der Thüre weg.
OSMIN
BELMONTE UND PEDRILLO
OSMIN
BELMONTE UND PEDRILLO
Garten am Palast des Bassa Selim; an der Seite Osmins Wohnung.
Osmin, Blonde.
BLONDE
O des Zankens, Befehlens und Murrens wird auch kein Ende! Einmal für allemal: das steht mir nicht an! Denkst du alter Murrkopf etwa eine türkische Sklavinn vor dir zu haben, die bey deinen Befehlen zittert? o da irrst du dich sehr! Mit europäischen Mädchen springt man nicht so herum; denen begegnet man ganz anders.
Durch Zärtlichkeit und Schmeicheln,OSMIN
Ey seht doch mal, was das Mädchen vorschreiben kann! Zärtlichkeit! Schmeicheln! – Es ist mir wie pure Zärtlichkeit! – Wer Teufel hat dir das Zeug in Kopf gesetzt? – Hier sind wir in der Türkey, und da gehts aus einem andern Tone. Ich dein Herr; du meine Sklavinn; ich befehle, du mußt gehorchen!
BLONDE
Deine Sklavinn? ich deine Sklavinn! – Ha! ein Mädchen eine Sklavinn! Noch einmal sag mir das, noch einmal!
OSMIN
für sich. Ich möchte toll werden, was das Mädchen für ein starrköpfiges Ding ist. Laut. Du hast doch wohl nicht vergessen, daß dich der Bassa mir zur Sklavinn geschenkt hat?
BLONDE
Bassa hin, Bassa her! Mädchen sind keine Waare zum Verschenken! Ich bin eine Engländerinn, zur Freyheit gebohren; und trotz jedem, der mich zu etwas zwingen will!
OSMIN
bey Seite. Gift und Dolch über das Mädchen! – Beym Mahomet! sie macht mich rasend. – Und doch lieb ich die Spitzbübinn, trotz ihres tollen Kopfes! Laut. Ich befehle dir augenblicklich, mich zu lieben.
BLONDE
Hahaha! Komm mir nur ein wenig näher, ich will dir fühlbare Beweise davon geben.
OSMIN
Tolles Ding! Weißt du, daß du mein bist, und ich dich dafür züchtigen kann?
BLONDE
Wag's nicht, mich anzurühren, wenn dir deine Augen lieb sind.
OSMIN
Wie? du unterstehst dich –
BLONDE
Da ist was zu unterstehen? Du bist der Unverschämte, der sich zu viel Freyheit heraus nimmt. So ein altes häßliches Gesicht untersteht sich, einem Mädchen wie ich, jung, schön, zur Freude geboren, wie einer Magd zu befehlen! Wahrhaftig, das stünde mir an! uns gehört das Regiment; ihr seyd unsre Sklaven, und glücklich, wenn ihr Verstand genug habt, euch die Ketten zu erleichtern.
OSMIN
Bey meinem Bart, sie ist toll! Hier hier in der Türkey?
BLONDE
Türkey hin, Türkey her! Weib ist Weib, sie sey wo sie wolle! Sind eure Weiber solche Närrinnen, sich von euch unterjochen zu lassen, desto schlimmer für sie; in Europa verstehen sie das Ding besser. Laß mich nur einmal Fuß hier gefaßt haben, sie sollen bald anders werden.
OSMIN
Beym Alla! die wär' im Stande uns allen die Weiber rebellisch zu machen – Aber –
BLONDE
Aufs Bitten müßt ihr euch legen, wenn ihr etwas von uns erhalten wollt; besonders Liebhaber deines Gelichters.
OSMIN
Freylich, wenn ich Pedrillo wär', so ein Drathpüppchen wie er, da wär' ich vermuthlich willkommen; denn euer Mienenspiel hab' ich lange weg.
BLONDE
Errathen, guter Alter, errathen! das kannst du dir wohl einbilden, daß mir der niedliche Pedrillo lieber ist, wie dein Blasbalggesicht. Also wenn du klug wärst –
OSMIN
Sollt' ich dir die Freyheit geben, zu thun und zu machen, was du wolltest? He?
BLONDE
Besser würdest du immer dabey fahren: denn so wirst du sicher betrogen.
OSMIN
Gift und Dolch! Nun reißt mir die Gedult! den Augenblick hinein ins Haus! Und wo du's wagst –
BLONDE
Mach' mich nicht zu lachen.
OSMIN
Ins Haus, sag' ich!
BLONDE
Nicht von der Stelle!
OSMIN
Mach' nicht, daß ich Gewalt brauche.
BLONDE
Gewalt werd' ich mit Gewalt vertreiben. Meine Gebietherinn hat mich hier in Garten bestellt; sie ist die Geliebte des Bassa, sein Augapfel, sein Alles; und es kostet mir ein Wort, so hast du funfzig auf die Fußsohlen. Also geh –
OSMIN
für sich. Das ist ein Satan. Ich muß nachgeben, so wahr ich ein Muselmann bin; sonst könnte ihre Drohung eintreffen.
Ich gehe, doch rathe ich
dir
Den Schurken Pedrillo zu
meiden.
BLONDE
OSMIN
BLONDE
OSMIN
BLONDE
OSMIN
BLONDE
Zusammen jedes für sich.
OSMIN
BLONDE
BLONDE
OSMIN
BLONDE
OSMIN
BLONDE stößt ihn fort.
OSMIN
Zus¨ammen.
BLONDE stellt sich als wollte sie ihm die Augen auskratzen.
OSMIN
furchtsam zurückweichend.
Nur ruhig, ich will ja gern
gehen,
Bevor du gar Schläge
ertheilst.
Geht ab.
Blonde, Konstanze.
BLONDE
Wie traurig das gute Mädchen daher kommt! Freylich thut's weh, den Geliebten zu verlieren und Sklavinn zu seyn. Es geht mir wohl auch nicht viel besser; aber ich habe doch noch das Vergnügen, meinen Pedrillo manchmal zu sehen, obs gleich auch mager und verstohlen genug geschehen muß: doch wer kann wider den Strom schwimmen!
KONSTANZE ohne Blonden zu bemerken.
Recitativ.
Welcher Wechsel herrscht
in meiner Seele
Seit dem Tag, da uns das
Schicksal trannte!
O Belmont! hin sind die Freuden,
Die ich sonst an deiner Seite
kannte!
Banger Sehnsuchts Leiden
Wohnen nun dafür in
der beklemmten Brust.
Arie.
Traurigkeit ward mir zum Loose,BLONDE
Ach mein bestes Fräulein! noch immer so traurig?
KONSTANZE
Kannst du fragen, der du meinen Kummer weißt? – Wieder ein Abend, und noch keine Nachricht, noch keine Hofnung! – Und morgen – ach Gott! ich darf nicht daran denken.
BLONDE
Heitern Sie sich wenigstens ein bischen auf. Sehn Sie, wie schön der Abend ist, wie blühend uns alles entgegen lacht, wie freudig uns die Vögel zu ihrem Gesang einladen! Verbannen Sie die Grillen, und fassen Sie Muth!
KONSTANZE
Wie glücklich bist du, Mädchen, bey deinem Schicksal so gelassen zu seyn! O daß ich es auch könnte!
BLONDE
Das steht nur bey Ihnen, hoffen Sie –
KONSTANZE
Wo nicht der mindeste Schein von Hoffnung mehr zu erblicken ist?
BLONDE
Hören Sie nur: ich verzage mein Lebtage nicht, es mag auch eine Sache noch so schlimm aussehen. Denn wer sich immer das schlimmste vorstellt, ist auch wahrhaftig am schlimmsten dran.
KONSTANZE
Und wer sich immer mit Hoffnung schmeichelt, und zuletzt betrogen sieht, hat alsdenn nichts mehr übrig als die Verzweiflung.
BLONDE
Jedes nach seiner Weise. Ich glaube bey der meinigen am besten zu fahren. Wie bald kann ihr Belmont mit Lösegeld erscheinen, oder uns listiger Weise entführen? Wären wir die ersten Frauenzimmer, die den türkischen Vielfraßen entkämen? – Dort seh' ich den Bassa.
KONSTANZE
Laß uns ihm aus den Augen gehn.
BLONDE
Zu spät. Er hat sie schon gesehen. Ich darf aber getrost aus dem Wege trollen, er schafte mich ohnehin fort. Im Weggehen. Kourage! wir kommen gewiß noch in unsre Heimath.
Konstanze, Selim.
SELIM
Nun Konstanze, denkst du meinem Begehren nach? Der Tag ist bald verstrichen, Morgen mußt du mich lieben, oder –
KONSTANZE
Muß? welch albernes Begehren! als ob man die Liebe anbefehlen könnte, wie eine Tracht Schläge! – – Aber freylich wie ihr Türken zu Werke geht, läßt sichs auch allenfalls befehlen – Aber ihr seyd würklich zu beklagen. Ihr kerkert die Gegenstände eurer Begierden ein und seyd zufrieden eure Lüste zu büßen.
SELIM
Und glaubst du etwan, unsre Weiber wären weniger glücklich, als ihr in euren Ländern?
KONSTANZE
Die nichts bessers kennen!
SELIM
Auf diese Art wäre wohl keine Hofnung, daß du je anders denken wirst.
KONSTANZE
Herr! Ich muß dir frey gestehn – – – denn was soll ich dich länger hinhalten, mich mit leerer Hofnung schmeicheln, daß du dich durch mein Bitten erweichen liessest – – Ich werde stets so denken wie itzt; dich verehren, aber – – lieben? Nie.
SELIM
Und du zitterst nicht vor der Gewalt, die ich über dich habe?
KONSTANZE
Nicht im geringsten. Sterben ist alles, was ich zu erwarten habe, und je eher dies geschieht, je lieber wird es mir seyn.
SELIM
Elende! Nein! Nicht sterben, aber Martern von allen Arten – – –
KONSTANZE
Auch die will ich ertragen; du schreckst mich nicht, ich erwarte alles.
Martern aller ArtenGeht ab.
SELIM Allein
Ist das ein Traum? Wo hat sie auf einmal den Muth her, sich so gegen mich zu betragen? Hat sie vielleicht Hofnung, mir zu entkommen? Ha! das will ich verwehren! Will fort. Doch das ist's nicht, dann würde sie sich eher verstellen, mich einzuschläfern suchen – – – Ja! es ist Verzweiflung! mit Härte richt' ich nichts aus – mit Bitten auch nicht – – also, was Drohen und Bitten nicht vermögen, soll die List zuwege bringen. Geht ab.
BLONDE Allein
Kein Bassa, keine Konstanze mehr da? Sind sie mit einander eins worden? – – Schwerlich, das gute Kind hängt zu sehr an ihrem Belmont! ich bedaure sie von Grund meines Herzens. Sie ist zu empfindsam für ihre Lage. Freylich, hätt' ich meinen Pedrillo nicht an der Seite, wer weiß, wie mir's gienge! doch würd' ich nicht so zärteln wie sie. Die Männer verdienen's warlich nicht, daß man ihrenthalben sich zu todte grämt. – – Vielleicht würd' ich muselmännisch denken.
Blonde, Pedrillo.
PEDRILLO
Bst, Bst! Blondchen! Ist der Weg rein?
BLONDE
Komm nur, komm! Der Bassa ist wieder zurück. Und meinem Alten habe ich eben den Kopf ein bischen gewaschen. Was hast du denn?
PEDRILLO
O Neuigkeiten, Neuigkeiten, die dich entzücken werden.
BLONDE
Nun? hurtig heraus damit!
PEDRILLO
Erst, liebes Herzensblondchen, laß dir vor allen Dingen einen recht herzlichen Kuß geben: du weißt ja, wie gestohlnes Gut schmeckt.
BLONDE
Pfuy, pfuy! Wenn das deine Neuigkeiten alle sind –
PEDRILLO
Närrchen, mach darum keinen Lärm: der alte spitzbübische Osmin lauert uns sicher auf den Dienst.
BLONDE
Nun? und die Neuigkeiten? –
PEDRILLO
Sind, daß das Ende unsrer Sklaverey vor der Thüre ist. – Er sieht sich sorgfältig um. Belmonte, Konstanzens Geliebter, ist angekommen; und ich hab' ihn unter dem Namen eines Baumeisters hier im Palast eingeführt.
BLONDE
Ah was sagst du? Belmonte da?
PEDRILLO
Mit Leib und Seele!
BLONDE
Ha! das muß Konstanze wissen! Will fort.
PEDRILLO
Hör' nur, Blondchen, hör' nur erst: Er hat ein Schif hier in der Nähe in Bereitschaft, und wir haben beschlossen, euch diese Nacht zu entführen.
BLONDE
O allerliebst, allerliebst! Herzens-Pedrillo! das verdient einen Kuß. Geschwind, geschwind zu Konstanzen! Will fort.
PEDRILLO
Halt nur, halt, und laß erst mit dir reden. Um Mitternacht kommt Belmonte mit einer Leiter zu Konstanzens Fenster, und ich zu dem deinigen; und dann gehts heidi davon!
BLONDE
O vortreflich! Aber Osmin?
PEDRILLO
Hier ist ein Schlaftrunk für den alten Schlaukopf, den misch ihm fein manierlich ins Getränke; verstehst du? Ich habe dort auch schon ein Fläschchen angefüllt. Geht's hier nicht, wird's dort wohl gehen.
BLONDE
Sorg' nicht für mich! – Aber kann Konstanze ihren Geliebten nicht sprechen?
PEDRILLO
Sobald es vollends finster ist, kommt er hier in Garten. Nun geh' und bereite Konstanzen vor; ich will hier Belmonten erwarten. Leb wohl, Herzchen; leb wohl!
BLONDE
Leb wohl, guter Pedrillo! Ach, was werd ich für Freude anrichten!
Welche Wonne, welche LustGeht fort.
PEDRILLO Allein
Ah, daß es schon vorbey wäre! daß wir schon auf offner See wären, unsre Mädels im Arm, und dieß verwünschte Land im Rücken hätten! Doch sey's gewagt; entweder itzt oder niemals. Wer zagt, verliert!
Frisch zum Kampfe!Pedrillo, Osmin.
OSMIN
Ha! Geht's hier so lustig zu? Es muß dir verteufelt wohl gehen.
PEDRILLO
Ey, wer wird so ein Kopfhänger seyn; es kommt beym Henker da nichts bey heraus! das haben die Pedrillos von jeher in ihrer Familie gehabt. Fröhlichkeit und Wein versüßt die härteste Sklaverey. Freylich könnt ihr armen Schlucker das nicht begreifen, daß es so ein herrlich Ding um ein Gläschen guten alten Lustigmacher ist. Wahrhaftig, da hat euer Vater Mahomet einen verzweifelten Bock geschossen, daß er euch den Wein verboten hat. Wenn das verwünschte Gesetz nicht wäre, du müßtest ein Gläschen mit mir trinken, du möchtest wollen oder nicht. Für sich. Vielleicht beißt er an: er trinkt ihn gar zu gerne.
OSMIN
Wein mit dir? Ja Gift –
PEDRILLO
Immer Gift und Dolch, und Dolch und Gift! Laß doch den alten Groll einmal fahren und sey vernünftig. Sieh einmal, ein Paar Flaschen Cyperwein! – Ah – Er zeigt ihm zwo Flaschen, wovon die eine größer als die andere ist. die sollen mir treflich schmecken!
OSMIN
für sich. Wenn ich trauen dürfte?
PEDRILLO
Das ist ein Wein das ist ein Wein! Er setzt sich nach türkischer Art auf die Erde, und trinkt aus der kleinen Flasche.
OSMIN
Kost einmal die große Flasche auch.
PEDRILLO
Denkst wohl gar, ich habe Gift hinein gethan? Ha! laß dir keine grauen Haare wachsen. Es verlohnte sich der Mühe, daß ich deinetwegen zum Teufel führe. Da sieh, ob ich trinke. Er trinkt aus der großen Flasche ein wenig. Nun hast du noch Bedenken? traust mir noch nicht? Pfuy, Osmin! sollt'st dich schämen – Da nimm! Er giebt ihm die große Flasche. Oder willst du die kleine?
OSMIN
Nein, laß nur, laß nur! Aber wenn du mich verräthst. – Sieht sich sorgfältig um.
PEDRILLO
Als wenn wir einander nicht weiter brauchten. Immer frisch! Mahomet liegt längst aufm Ohr, und hat nöthiger zu thun, als sich um deine Flasche Wein zu bekümmern.
Duett.
PEDRILLO
OSMIN
PEDRILLO
OSMIN
BEYDE
PEDRILLO
OSMIN
BEYDE
PEDRILLO
Wahrhaftig, das muß ich gestehen, es geht doch nichts über den Wein. Wein ist mir lieber, als Geld und Mädchen. Bin ich verdrüßlich, mürrisch, launisch: hurtig nehm' ich meine Zuflucht zur Flasche; und kaum seh' ich den ersten Boden:
weg ist all mein Verdruß! – Meine Flasche macht mir kein schiefes Gesicht, wie mein Mädchen, wenn ihr der Kopf nicht auf dem rechten Flecke steht. Und schwatzt mir von Süßigkeit der Liebe und des Ehestands, was ihr wollt: Wein auf der Zunge geht über alles!Osmin fängt bereits an die Wirkung des Weins und des Schlaftrunks zu spüren, und wird bis zu Ende des Auftritts immer schläfriger und träger, doch darf's der Schauspieler nicht übertreiben, und muß nur immer halb träumend und schlaftrunken bleiben.
OSMIN
Das ist wahr – Wein – Wein – ist ein schönes Getränke; und unser grosser – Prophet mag mirs nicht übel nehmen – Gift und Dolch! es ist doch eine hübsche Sache um den Wein! – Nicht – – Bruder Pedrillo?
PEDRILLO
Richtig, Bruder Osmin, richtig!
OSMIN
Man wird gleich so – munter Er nickt zuweilen. so vergnügt – so aufgeräumt – – Hast du nichts mehr, Bruder? Er langt auf eine lächerliche Art nach einer zwoten Flasche, die Pedrillo ihm reicht.
PEDRILLO
Hör du, Alter: trink mir nicht zu viel; es kommt einem in Kopf.
OSMIN
Trag doch keine – Sorge, ich bin so – so – nüchtern wie möglich – Aber das ist wahr – Er fängt an, auf die Erde hin und her zu wanken. es schmeckt – – vortreflich!
PEDRILLO für sich.
Es wirkt, Alter; es wirkt!
OSMIN
Aber verrathen mußt du mich nicht – Brüderchen – verrathen – denn – wenns Mahomet – – nein, nein – der Bassa wüßte – – denn siehst du – – – liebes Blondchen – – ja oder nein! – –
PEDRILLO für sich.
Nun wirds Zeit, ihn fortzuschaffen! Laut. Nun komm, Alter, komm, wir wollen schlafen gehn! Er hebt ihn auf.
OSMIN
Schlafen? – Schämst du dich nicht? – – Gift und Dolch! Wer wird denn so schläfrig seyn – es ist ja kaum Morgen –
PEDRILLO
Ho ho, die Sonne ist schon hinunter! – Komm, komm, daß uns der Bassa nicht überrascht!
OSMIN im Abführen.
Ja, ja, – – eine Flasche – guter – Bassa – geht über – – alles! – gute Nacht – – Brüderchen – gute Nacht. –
Pedrillo führt ihn hinein, kommt aber gleich wieder zurück.
Belmonte, Konstanze, Blonde.
PEDRILLO machts Osmin nach.
Gute Nacht – Brüderchen – gute Nacht! Hahahaha, alter Eisenfresser! erwischt man dich so? Gift und Dolch! – Du hast deine Ladung! Nur fürcht' ich, ists noch zu zeitig am Tage; bis Mitternacht sind noch drey Stunden, und da könnt er leicht wieder ausgeschlafen haben. – – Ach! kommen Sie, kommen Sie, liebster Herr! Unser Argus ist blind; ich hab' ihn tüchtig zugedeckt.
BELMONTE
O daß wir glücklich wären! – Aber sag': ist Konstanze noch nicht hier?
PEDRILLO
Eben kommt sie da den Gang herauf. Reden Sie alles mit ihr ab: aber fassen Sie sich kurz; denn der Verräther schläft nicht immer.
Währender Unterredung des Belmonte mit Konstanzen, unterhält sich Pedrillo mit Blonden, der er durch Pantomime den ganzen Auftritt mit dem Osmin vormacht, und jenen nachahmt; zuletzt unterrichtet er sie ebenfalls, daß er um Mitternacht mit einer Leiter unter ihr Fenster kommen wolle, um sie zu entführen.
KONSTANZE
O mein Belmonte!
Einander im Arme.
BELMONTE
O Konstanze!
KONSTANZE
Ists möglich? – Nach so viel Tagen der Angst, nach so viel ausgestandnen Leiden, dich wieder in meinen Armen –
BELMONTE
O, dieser Augenblick versüßt allen Kummer, macht mich all meinen Schmerz vergessen –
KONSTANZE
Hier will ich an deinem Busen liegen und weinen! – Ach, jetzt fühl ich's – die Freude hat auch ihre Thränen!
BELMONTE
KONSTANZE
Mit tausend Freuden! was wollt ich nicht mit dir wagen? Ich erwarte dich –
PEDRILLO
Also, liebes Blondchen, paß ja hübsch auf, hörst du's?
BLONDE
Sorge für mich nicht. Das wär das erste Abentheuer, das ein Mädchen verschlafen hätte.
PEDRILLO
Du wirft's schon merken, wenn du so was Gesungenes hörst, wie's so meine Art des Abends immer ist; dann paß auf, und dann mit einem Sprung ins Schiff! – Nur hübsch Muth gefaßt, und nicht verzagt: Wer alles zu verlieren hat, muß alles wagen!
KONSTANZE
Wenn es aber nur glücklich abläuft!
BELMONTE
Wir wollen's hoffen; die Liebe wird unsre Geleiterinn seyn.
Quartett.
KONSTANZE
BELMONTE
KONSTANZE
BELMONTE
KONSTANZE
BELMONTE
KONSTANZE
BELMONTE
PEDRILLO
BLONDE
ALLE VIER.
BELMONTE
KONSTANZE
BELMONTE
KONSTANZE
BELMONTE
PEDRILLO
BLONDE
ALLE VIER.
BELMONTE
BELMONTE
KONSTANZE sie weint.
PEDRILLO
BLONDE giebt ihm eine Ohrfeige.
Da, nimm die Antwort drauf.
PEDRILLO hält sich die Wange.
Nun bin ich aufgeklärt.
BELMONTE kniet nieder.
BLONDE geht zornig von Pedrillo.
KONSTANZE seufzend sich von Belmonte wegwendend.
BLONDE zu Konstanze.
KONSTANZE zu Blonde.
PEDRILLO hält sich die Backe.
BELMONTE zu Pedrillo.
Zugleich.
BLONDE UND KONSTANZE
BELMONTE UND PEDRILLO
Zugleich.
PEDRILLO
BLONDE
BELMONTE
KONSTANZE
PEDRILLO UND BELMONTE
KONSTANZE UND BLONDE
ALLE VIERE
Alle ab.
Ende des zweyten Aufzugs
Platz vor dem Palaste des Bassa Selim; auf einer Seite der Palast des Bassa; gegen über die Wohnung des Osmin; hinten Aussicht aufs Meer. Es ist Mitternacht.
Pedrillo, Klaas der eine Leiter bringt.
PEDRILLO
Hier, lieber Klaas, hier leg sie indeß nur nieder, und hole die zwote vom Schiff. Aber nur hübsch leise, daß nicht viel Lerm gemacht wird: es geht hier auf Tod und Leben.
KLAAS
Laß mich nur machen, ich versteh das Ding auch ein bischen, wenn wir sie nur erst am Bord haben.
PEDRILLO
Ach lieber Klaas! wenn wir mit unsrer Beute glücklich nach Spanien kommen: ich glaube, Don Belmonte läßt dich in Gold einfassen.
KLAAS
Das möchte wohl ein bischen zu warm aufs Fell gehn; doch das wird sich schon geben. Ich hole die Leiter. Geht ab.
PEDRILLO
Ach! wenn ich sagen sollte, daß mirs Herz nicht klopfte, so sagt' ich eine schreckliche Lüge. Die verzweifelten Türken verstehen nicht den mindesten Spaß; und ob der Bassa gleich ein Renegat ist, so ist er, wenns aufs Kopfab ankommt, doch ein völliger Türke.
Klaas bringt die zwote Leiter.
PEDRILLO
So, guter Klaas, und nun lichte die Anker, und spann alle Segel auf: denn eh eine halbe Stund vergeht, hast du deine völlige Ladung.
KLAAS
Bring sie nur hurtig, und dann laß mich sorgen.
Geht ab.
Belmonte, Pedrillo.
PEDRILLO
Ach! – ich muß Athem holen – Es zieht mir's Herz so eng zusammen, als wenn ichs größte Schelmstück vorhätte – Ach wo mein Herr auch bleibt! –
BELMONTE ruft leise.
Pedrillo! Pedrillo!
PEDRILLO
Wie gerufen!
BELMONTE
Ist alles fertig gemacht?
PEDRILLO
Alles! Jetzt will ich ein wenig um den Palast herum spioniren, wie's aussieht. Singen Sie indessen eins. Ich hab das so alle Abende gethan; und wenn Sie da auch jemand gewahr wird, oder begegnet: denn alle Stunden macht hier eine Janitscharenwache die Runde; so hat's nichts zu bedeuten, sie sind das von mir schon gewohnt; es ist fast besser, als wenn man Sie so stille hier fände.
BELMONTE
Laß mich nur machen, und komm bald wieder.
Pedrillo geht ab.
BELMONTE allein.
O Konstanze, Konstanze! wie schlägt mir das Herz! Je näher der Augenblick kommt, desto ängstlicher zagt meine Seele; ich fürchte und wünsche, bebe und hoffe. O Liebe, sey du meine Leiterinn!
Ich baue ganz auf deine Stärke,
Vertrau' o Liebe! deiner
Macht!
Denn, ach! was wurden nicht
für Werke
Schon oft durch dich zu Stand
gebracht!
Was aller Welt unmöglich
scheint,
Wird durch die Liebe doch
vereint.
Belmonte, und Pedrillo.
PEDRILLO
Alles liegt auf dem Ohr; es ist alles so ruhig, so stille als den Tag nach der Sündfluth.
BELMONTE
Nun so laß uns sie befreyen. Wo ist die Leiter?
PEDRILLO
Nicht so hitzig. Ich muß erst das Signal geben.
BELMONTE
Was hindert dich denn es nicht zu thun? Mach fort.
PEDRILLO
sieht nach der Uhr. Eben recht, Schlag zwölfe. Gehen Sie dort an die Ecke, und geben Sie wohl acht, daß wir nicht überrascht werden.
BELMONTE
Zaudre nur nicht! Geht ab.
PEDRILLO
indem er seine Mandoline hervor holt. Es ist doch um die Herzhaftigkeit eine erzläppische Sache. Wer keine hat, schafft sich mit aller Mühe keine an! Was mein Herz schlägt! Mein Papa muß ein Erzpoltron gewesen seyn. Fängt an zu spielen. Nun so sey es denn gewagt! Singt und akkompagnirt sich.
Romanze.
1.
2.
BELMONTE kommt hervor.
Mach ein Ende, Pedrillo.
PEDRILLO
An mir liegt es nicht, daß sie sich noch nicht zeigen. Entweder schlafen sie fester als jemals; oder der Bassa ist bey der Hand. Wir wollens weiter versuchen. Bleiben Sie nur auf Ihren Posten.
Belmonte geht wieder fort.
PEDRILLO
3.
4.
Pedrillo hustet einigemal, Konstanze öfnet das Fenster.
PEDRILLO
Sie macht auf, Herr! Sie macht auf.
BELMONTE
Ich komme, ich komme!
KONSTANZE oben am Fenster.
Belmonte!
BELMONTE
Konstanze! hier bin ich! hurtig die Leiter!
Pedrillo stellt die Leiter an Konstanzens Fenster, Belmonte steigt hinein; Pedrillo hält die Leiter.
PEDRILLO
Was das für ein abscheuliches Spektakel macht. Hält die Hand aufs Herz. Es wird immer ärger, weil es nun Ernst wird. Wenn sie mich hier erwischten, wie schön würden sie mit mir abtrollen, zum Kopfabschlagen, zum Spießen, oder zum Hängen. Je nu! der Anfang ist einmal gemacht, itzt ists nicht mehr aufzuhalten, es geht nun schon einmal aufs Leben oder auf den Tod los.
Belmonte kommt mit Konstanzen unten zur Thüre heraus.
BELMONTE
Nun, holder Engel! nun hab' ich dich wieder, ganz wieder; Nichts soll uns mehr trennen.
KONSTANZE
Wie ängstlich schlägt mein Herz! kaum bin ich im Stande mich aufrecht zu halten: wenn wir nur glücklich entkommen.
PEDRILLO
Nur fort! nicht geplaudert! sonst könnt' es freylich schief gehen, ¨wenn wir da lange Rath halten, und seufzen. Stößt Belmonten und Konstanzen fort. Nur frisch nach dem Strande zu! ich komme gleich nach.
Belmonte und Konstanze ab.
PEDRILLO
¨ Nun Kupido, du mächtiger Herzensdieb, halte mir die Leiter, und hülle mich sammt meiner Geräthschaft in einen dicken Nebel ein! Er hat unter der Zeit die Leiter an Blondens Fenster gelegt, und ist hinaufgestiegen. Blondchen, Blondchen! mach auf ums Himmels willen, zaudre nicht! es ist um Hals und Kragen zu thun.
Es wird das Fenster geöfnet, er steigt hinein.
Osmin und ein schwarzer Stummer öfnen die Thüre von Osmins Hause, wo Pedrillo hineingestiegen ist. Osmin noch halb schlaftrunken hat eine Laterne. Der Stumme giebt Osmin durch Zeichen zu verstehen, daß es nicht richtig sey; daß er Leute gehört habe, u.s.w.
OSMIN
Lärmen hörtest du? was kanns denn geben? vielleicht Schwärmer? Geh, spionire, bringe mir Antwort.
Der Stumme lauscht ein wenig herum; endlich wird er die Leiter an Osmins Fenster gewahr, erschrickt und zeigt sie Osmin, der wie im Taumel mit der Laterne in der Hand an seine Hausthüre gelehnt, sieht und nickt.
OSMIN
Gift und Dolch! was ist das? wer kann ins Haus steigen? Das sind Diebe, oder Mörder. Er tummelt sich herum: weil er aber noch halb schlaftrunken ist, stößt er sich hier und da etc.
OSMIN
Hurtig, hole die Wache! ich will unterdessen lauren.
Der Stumme ab; Osmin setzt sich auf die Leiter mit der Laterne in der Hand und nickt ein. Pedrillo kömmt rückwärts wieder zum Fenster herausgestiegen, und will die Leiter wieder herunter. Blonde oben am Fenster wird Osmin gewahr und ruft Pedrillo zu.
BLONDE
O Himmel, Pedrillo! wir sind verloren.
PEDRILLO
sieht sich um, und so wie er Osmin gewahr wird, stutzt er, besieht ihn, und steigt wieder zum Fenster hinein. Ah! welcher Teufel hat sich wider uns verschworen.
OSMIN auf der Leiter dem Pedrillo nach, ruft.
Blondchen! Blondchen!
PEDRILLO im Hineinsteigen zu Blondchen.
Zurück, nur zurück!
OSMIN steigt wieder zurück.
Wart, Spitzbube, du sollst mir nicht entkommen. Hilfe Hilfe! Wache, hurtig, hier giebts Räuber! herbey, herbey!
Pedrillo kommt mit Blonden unten zur Hausthüre heraus, sieht schüchtern nach der Leiter, und schleicht sich dann mit Blonden darunter weg.
PEDRILLO UND BLONDE im Abgehen.
O Himmel steh uns bey! sonst sind wir verloren.
OSMIN
Zu Hilfe! zu Hilfe! geschwind! Er will nach.
WACHE mit Fackeln, halten Osmin auf.
Halt, halt! Wohin?
OSMIN
Dorthin, dorthin.
WACHE
Wer bist du?
OSMIN
Nur nicht lange gefragt, sonst entkommen die Spitzbuben. Seht ihr denn nicht? hier ist noch die Leiter.
WACHE
Das sehn' wir: kannst nicht du sie angelegt haben?
OSMIN
Gift und Dolch! kennt ihr mich denn nicht? ich bin Oberaufseher der Gärten beym Bassa. Wenn ihr noch lange fragt, so hilft euer Kommen nichts.
Ein Theil der Wache bringen Pedrillo und Blonden zurück.
OSMIN
Ah endlich! Gift und Dolch! seh' ich recht! ihr beyde? warte, spitzbübischer Pedrillo, dein Kopf soll am längsten fest gestanden seyn.
PEDRILLO
Brüderchen, Brüderchen! wirst doch Spaß verstehen? ich wollt' dir dein Weibchen nur ein wenig spazieren führen, weil du heute dazu nicht aufgelegt bist. Du weißt schon Heimlich zu Osmin. wegen des Cyperweins.
OSMIN
Schurke, glaubst du mich zu betäuben? hier verstehe ich keinen Spaß; dein Kopf muß herunter, so wahr ich ein Muselmann bin.
PEDRILLO
Und hast du einen Nutzen dabey? wenn ich meinen Kopf verliere, sitzt deiner um so viel fester?
OSMIN
Nur nicht lange gefragt, sonst entkommen die Spitzbuben. Seht ihr denn nicht? hier ist noch die Leiter.
WACHE
Das sehn' wir: kannst nicht du sie angelegt haben?
OSMIN
Gift und Dolch! kennt ihr mich denn nicht? ich bin Oberaufseher der Gärten beym Bassa. Wenn ihr noch lange fragt, so hilft euer Kommen nichts.
Ein Theil der Wache bringen Pedrillo und Blonden zurück.
OSMIN
Ah endlich! Gift und Dolch! seh' ich recht! ihr beyde? warte, spitzbübischer Pedrillo, dein Kopf soll am längsten fest gestanden seyn.
PEDRILLO
Brüderchen, Brüderchen! wirst doch Spaß verstehen? ich wollt' dir dein Weibchen nur ein wenig spazieren führen, weil du heute dazu nicht aufgelegt bist. Du weißt schon Heimlich zu Osmin. wegen des Cyperweins.
OSMIN
Schurke, glaubst du mich zu betäuben? hier verstehe ich keinen Spaß; dein Kopf muß herunter, so wahr ich ein Muselmann bin.
PEDRILLO
Und hast du einen Nutzen dabey? wenn ich meinen Kopf verliere, sitzt deiner um so viel fester?
OSMIN allein.
Geht ab.
Zimmer des Bassa.
Selim mit Gefolge, hernach Osmin, Belmonte, Konstanze und Wache.
SELIM
zu einem Offiziere. Geht, unterrichtet euch, was der Lärm im Palast bedeutet; er hat uns im Schlaf aufgeschreckt, und laßt mir Osmin kommen. Der Offizier will abgehen, indem kommt Osmin zwar hastig, doch noch ein wenig schläfrig
OSMIN
Herr! – Verzeih, daß ich es so früh wage – deine Ruhe zu stören.
SELIM
Was giebts, Osmin, was giebts? Was bedeutet der Aufruhr?
OSMIN
Herr, es ist die schändlichste Verrätherey in deinem Palast –
SELIM
Verrätherey?
OSMIN
Die niederträchtigen Christensklaven entführen uns – die Weiber. Der große Baumeister, den du gestern auf Zureden des Verräthers Pedrillo aufnahmst, hat deine – schöne Konstanze entführt.
SELIM
Konstanze? entführt? Ah, setzt ihnen nach!
OSMIN
O 's ist schon dafür gesorgt! Meiner Wachsamkeit
– hast du es zu danken, daß ich sie wieder beym
Schopfe gekriegt habe. Auch mir selbst hatte
der – spitzbübische
Pedrillo eine gleiche Ehre zugedacht, und er hatte mein
Blondchen schon beym Kopfe, um mit ihr – in alle Welt
zu reisen. – Aber Gift und Dolch! er soll mirs entgelten!
– Sieh, da bringen sie sie!
Belmonte und Konstanze werden von der Wache hereingeführt.
SELIM
Ah, Verräther! Ists möglich? – Ha, du heuchlerische Sirene! War das der Aufschub, den du begehrtest? Mißbrauchtest du so die Nachsicht, die ich dir gab, um mich zu hintergehen?
KONSTANZE
Ich bin strafbar in deinen Augen, Herr, es ist wahr: aber es ist mein Geliebter, mein einziger Geliebter, dem lang schon dieses Herz gehört. O nur für ihn, nur um seinetwillen fleht' ich Aufschub. – O laß mich sterben! gern, gern will ich den Tod erdulden: aber schone nur sein Leben –
SELIM
Und du wagst's Unverschämte, für ihn zu bitten?
KONSTANZE
Noch mehr: für ihn zu sterben!
BELMONTE
Ha, Bassa! Noch nie erniedrigte ich mich
zu bitten, noch nie hat dieses Knie sich vor einem Menschen
gebeugt: aber sich, hier lieg ich zu deinen Füssen;
und flehe dein Mitleid an. Ich bin von einer grossen
spanischen Familie, man wird alles für mich zahlen.
Lasse dich bewegen,
bestimme ein Lösegeld
für mich und Konstanze so hoch du willst. Mein
Name ist Lostados.
SELIM staunend.
Was hör' ich! der Kommandant von Oran, ist dir der bekannt?
BELMONTE
Das ist mein Vater.
SELIM
Dein Vater? weicher glückliche Tag! Den Sohn meines ärgsten Feindes in meiner Macht zu haben! kann was angenehmers seyn! Wisse, Elender! Dein Vater, dieser Barbar ist Schuld, daß ich mein Vaterland verlassen mußte. Sein unbiegsamer Geiz entriß mir eine Geliebte, die ich höher als mein Leben schätzte. Er brachte mich um Ehrenstellen, Vermögen, um alles. Kurz, er zernichtete mein ganzes Glück. Und dieses Mannes einzigen Sohn habe ich nun in meiner Gewalt! Sage er an meiner Stelle, was würde er thun?
BELMONTE
ganz niedergedrückt. Mein Schicksal würde zu beklagen seyn.
SELIM
Das soll es auch seyn. Wie er mit mir verfahren ist, will ich mit dir verfahren. Folge mir, Osmin, ich will dir Befehle zu ihren Martern geben. Zu der Wache. Bewacht sie hier.
Belmonte und Konstanze.
Recitativ.
BELMONTE
KONSTANZE
BELMONTE
KONSTANZE
BEYDE
KONSTANZE
BELMONTE
BEYDE
KONSTANZE
BELMONTE
BEYDE
BEYDE
Pedrillo und Blonde werden von einem andern Theil der Wache hereingeführt; und die Vorigen.
PEDRILLO
Ach Herr! wir sind hin! An Rettung ist nicht mehr zu denken. Man macht schon alle Zubereitungen, um uns aus der Welt zu schaffen. Es ist erschrecklich, was sie mit uns anfangen wollen! Ich, wie ich im Vorbeygehen gehört habe, soll in Oel gesotten, und dann gespießt werden. Das ist ein sauber Traktament! Ach! Blondchen! Blondchen! was werden sie wohl mit dir anfangen?
BLONDE
Das gilt mir nun ganz gleich. Da es einmal gestorben seyn muß, ist mir alles recht.
PEDRILLO
Welche Standhaftigkeit! Ich bin doch von gutem altchristlichen Geschlecht aus Spanien, aber so gleichgültig kann ich beym Tode nicht seyn! – – Weiß der Teufel ... Gott sey bey mir! wie kann mir auch itzt der Teufel auf die Zunge kommen?
Selim, Osmin voll Freuden und Gefolge.
SELIM
Nun Sklave! elender Sklave! zitterst du? erwartest du dein Urtheil?
BELMONTE
Ja Bassa mit so vieler Kaltblütigkeit, als Hitze du es aussprechen kannst. Kühle deine Rache an mir, tilge das Unrecht, so mein Vater dir angethan; – – ich erwarte alles, und tadle dich nicht.
SELIM
Es muß also wohl deinem Geschlechte ganz eigen seyn Ungerechtigkeiten zu begehen, weil du das für so ausgemacht annimmst? Du betrügst dich. Ich habe deinen Vater viel zu sehr verabscheut, als daß ich je in seine Fußtapfen treten könnte. Nimm deine Freyheit, nimm Konstanzen, seegle in dein Vaterland, sage deinem Vater, daß du in meiner Gewalt warst, daß ich dich frey gelassen, um ihm sagen zu können, es wäre ein weit grösser Vergnügen eine erlittene Ungerechtigkeit durch Wohlthaten zu vergelten, als Laster mit Lastern tilgen.
BELMONTE
Herr! ... du setzest mich in Erstaunen ...
SELIM ihn verächtlich ansehend.
Das glaub ich. Zieh damit hin und werde du wenigstens menschlicher, als dein Vater, so ist meine Handlung belohnt.
KONSTANZE
Herr! vergieb! Ich schätzte bisher deine edle Seele, aber nun bewundre ich ...
SELIM
Still! Ich wünsche für die Falschheit, so Sie an mir begangen, daß Sie es nie bereuen möchten, mein Herz ausgeschlagen zu haben. Im Begriff abzugehen.
PEDRILLO tritt ihm in Weg und fällt ihm zu Füßen.
Herr! dürfen wir beyde Unglückliche es auch wagen, um Gnade zu flehen? – – Ich war von Jugend auf ein treuer Diener meines Herrn ...
OSMIN
Herr! beym Alla! laß dich ja nicht von dem verwünschten Schmarotzer hintergehn! Keine Gnade! Er hat schon hundertmal den Tod verdient.
SELIM
Er mag ihn also in seinem Vaterlande suchen. Zur Wache. Man begleite alle viere an das Schif. Giebt Belmonte ein Papier. Hier ist euer Paßport.
OSMIN
Wie! meine Blonde soll er auch mitnehmen?
SELIM scherzhaft.
Alter! sind dir deine Augen nicht lieb? – Ich sorge besser für dich als du denkst.
OSMIN
Gift und Dolch! Ich möchte bersten!
SELIM
Beruhige dich. Wen man durch Wohlthun nicht für sich gewinnen kann, den muß man sich vom Halse schaffen.
BELMONTE
Nie werd' ich deine Huld
verkennen,
Mein Dank bleibt ewig dir
geweiht!
An jedem Ort, zu jeder Zeit
Werd' ich dich groß
und edel nennen.
Wer so viel Huld vergessen
kann,
Den seh' man mit Verachtung
an.
ALLE
KONSTANZE
PEDRILLO
BLONDE
Auf Osmin zeigend.
Ehre sey sein Eigenthum,Ende des Singspiels.
Musicologie.org, 56 rue de la Fédération, 93100 Montreuil, ☎ 06 06 61 73 41
ISNN 2269-9910.
Jeudi 30 Mars, 2023